Ich wünsche euch ein besinnliches Weihnachtsfest und ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr
Die achtjährige Virginia O´Hanlon aus New York wollte es ganz
genau wissen. Darum schrieb sie an die Tageszeitung "Sun" einen
Brief:
"Ich bin acht Jahre alt. Einige von meinen Freunden sagen, es gibt
keinen Weihnachtsmann. Papa sagt, was in der "Sun" steht, ist
immer wahr. Bitte, sagen Sie mir: Gibt es einen
Weihnachtsmann?"
Virginia O´Hanlon Die Sache war dem Chefredakteur Francis
Church so wichtig, dass er selber antwortete - auf der Titelseite
der "Sun":
"Virginia, Deine kleinen Freunde haben nicht recht. Sie glauben
nur, was sie sehen, sie glauben, dass es nicht geben kann, was
sie mit ihrem kleinen Geist nicht erfassen können. Aller
Menschengeist ist klein, ob er nun einem Erwachsenen oder
einem Kind gehört. Im Weltall verliert er sich wie ein winziges
Insekt.
Solcher Ameisenverstand reicht nicht aus, die ganze Wahrheit zu
erfassen und zu begreifen. Ja, Virginia, es gibt einen
Weihnachtsmann. Es gibt ihn so gewiss wie die Liebe und
Großherzigkeit und Treue. Weil es all das gibt, kann unser Leben
schön und heiter sein.
Wie dunkel wäre die Welt, wenn es keinen Weihnachtsmann
gäbe! Es gäbe dann auch keine Virginia, keinen Glauben, keine
Poesie - gar nichts, was das Leben erträglich macht. Ein
Flackerrest an sichtbarem Schönen bliebe übrig. Aber das Licht
der Kindheit, das die Welt ausstrahlt, müsste verlöschen.
Es gibt einen Weihnachtsmann, sonst könntest Du auch den
Märchen nicht glauben. Gewiss, Du könntest Deinen Papa bitten,
er solle am Heiligen Abend Leute ausschicken, den
Weihnachtsmann zu fangen. Und keiner von ihnen bekäme ihn zu
Gesicht - was würde das beweisen? Kein Mensch sieht in einfach
so. Das beweist gar nichts. Die wichtigsten Dinge bleiben
meistens unsichtbar. Die Elfen zum Beispiel, wenn sie auf
Mondwiesen tanzen. Trotzdem gibt es sie.
All die Wunder zu denken - geschweige denn sie zu sehen - das
vermag nicht der Klügste auf der Welt.
Was du auch siehst, Du siehst nie alles. Du kannst ein
Kaleidoskop aufbrechen und nach den schönen Farbfiguren
suchen. Du wirst nur einige bunte Scherben finden, nichts weiter.
Warum? Weil es einen Schleier gibt, der die wahre Welt verhüllt,
einen Schleier, den nicht einmal die Gewalt auf der Welt zerreisen
kann. Nur Glaube und Poesie und Liebe können ihn lüften. Dann
werden die Schönheit und Herrlichkeit dahinter auf einmal zu
erkennen sein. "Ist das denn auch wahr?" kannst du fragen.
Virginia, nichts auf der ganzen Welt ist wahrer und beständiger.
Der Weihnachtsmann lebt, und ewig wird er leben. Sogar in
zehnmal zehntausend Jahren wird er da sein, um Kinder wie Dich
und jedes offen Herz mit Freude zu erfüllen.
Frohe Weihnacht, Virginia. Dein Francis Church.
PS.: Der Briefwechsel zwischen Virginia O´Hanlon und Francis P.
Church stammt aus dem Jahr 1897. Er wurde über ein halbes
Jahrhundert - bis zur Einstellung der "Sun" 1950 - alle Jahre
wieder zur Weihnachtszeit auf der Titelseite der Zeitung
abgedruckt.
Der Tannenbaum
Draußen im Walde stand ein niedlicher, kleiner Tannenbaum, er
hatte einen guten Platz, Sonne konnte er bekommen, Luft war
genug da und ringsumher wuchsen viel größere Kameraden, sowohl
Tannen als auch Fichten. Aber dem kleinen Tannebaum schien
nichts so wichtig wie das Wachsen, er achtete nicht der warmen
Sonne und der frischen Luft, er kümmerte sich nicht um die
Bauernkinder, die da gingen und plauderten, wenn sie
herausgekommen waren, um Erdbeeren und Himbeeren zu
sammeln. Oft kamen sie mit einem ganzen Topf voll oder hatten
Erdbeeren auf einen Strohhalm gezogen, dann setzten sie sich
neben den kleinen Tannenbaum und sagten:" Wie niedlich klein ist
der!" Das mochte der Baum gar nicht hören.
Im folgenden Jahr war er ein langes Glied größer und das Jahr
darauf war er um noch eins länger, denn bei den Tannenbäumen
kann man immer an den vielen Gliedern, die sie haben, sehen, wie
viele Jahre sie gewachsen sind.
"Oh, wäre ich doch so ein großer Baum wie die andern!" seufzte
das kleine Bäumchen. "Dann könnte ich meine Zweige so weit
umher ausbreiten und mit der Krone in die Welt hinausblicken! Die
Vögel würden dann Nester zwischen meinen Zweigen bauen und
wenn der Wind weht, könnte ich so vornehm nicken, gerade wie die
andern dort!" Er hatte gar keine Freude am Sonnenschein, an den
Vögeln und den roten Wolken, die morgens und abends über ihn
hinsegelten.
War es nun Winter und der Schnee lag ringsumher funkelnd weiß,
so kam häufig ein Hase angesprungen und setzte gerade über den
kleinen Baum weg. Oh, das war ärgerlich! Aber zwei Winter
vergingen und im dritten war das Bäumchen so groß, dass der Hase
um es herumlaufen musste. "Oh, wachsen, wachsen, groß und alt
werden, das ist doch das einzige Schöne in dieser Welt!" dachte
der Baum.
Im Herbst kamen immer Holzhauer und fällten einige der größten
Bäume, das geschah jedes Jahr, und dem jungen Tannenbaum, der
nun ganz gut gewachsen war, schauderte dabei, denn die großen,
prächtigen Bäume fielen mit Knacken und Krachen zur Erde, die
Zweige wurden abgehauen, die Bäume sahen ganz nackt, lang und
schmal aus, sie waren fast nicht zu erkennen. Aber dann wurden
sie auf Wagen gelegt und Pferde zogen sie davon, aus dem Wald
hinaus. Wohin sollten sie? Was stand ihnen bevor?
Im Frühjahr, als die Schwalben und Störche kamen, fragte sie der
Baum: "Wisst ihr nicht wohin sie geführt wurden? Seid ihr ihnen
begegnet?"
Die Schwalben wussten nichts, aber der Storch sah nachdenkend
aus, nickte mit dem Kopfe und sagte: " Ja, ich glaube wohl, mir
begegneten viele neue Schiffe, als ich aus Ägypten flog, auf den
Schiffen waren prächtige Mastbäume, ich darf annehmen, dass sie
es waren, sie hatten Tannengeruch, ich kann vielmals von ihnen
grüßen, sie sind schön und stolz!"
"Oh, wäre ich doch auch groß genug, um über das Meer hinfahren
zu können! Was ist das eigentlich, dieses Meer, und wie sieht es
aus?" Ja, das ist viel zu weitläufig zu erklären!" sagte der Storch
und damit ging er.
"Freue dich deiner Jugend!" sagten die Sonnenstrahlen, "freue dich
deines frischen Wachstums, des jungen Lebens, das in dir ist!" Und
der Wind küsste den Baum und der Tau weinte Tränen über ihn,
aber das verstand der Tannenbaum nicht.
Wenn es gegen die Weihnachtszeit war, wurden ganz junge Bäume
gefällt, Bäume, die oft nicht einmal so groß oder gleichen Alters mit
diesem Tannenbäumchen waren, der weder Rast noch Ruhe hatte,
sondern immer davon wollte. Diese jungen Bäume und es waren
gerade die allerschönsten, behielten immer alle ihre Zweige, sie
wurden auf Wagen gelegt und Pferde zogen sie zum Wald hinaus.
"Wohin sollen dies?" fragte der Tannenbaum. "Sie sind nicht größer
als ich, einer ist sogar viel kleiner, weswegen behalten sie alle ihre
Zweige? Wohin fahren sie?"
"Das wissen wir! Das wissen wir!" zwitscherten die Meisen. "Unten
in der Stadt haben wir in die Fenster gesehen! Wir wissen, wohin
sie fahren! Oh, sie gelangen zur größten Pracht und Herrlichkeit, die
man sich denken kann! Wir haben in die Fenster gesehen und
erblickt, dass sie mitten in der warmen Stube aufgepflanzt und mit
den schönsten Sachen, vergoldeten Äpfeln, Honigkuchen,
Spielzeug und vielen hundert Lichtern geschmückt werden.
"Und dann?" fragte der Tannenbaum und bebte in allen Zweigen.
"Und dann? Was geschieht dann?" "Ja, mehr haben wir nicht
gesehen! Das war unvergleichlich schön!" Ob ich wohl bestimmt bin,
diesen strahlenden Weg zu betreten?" jubelte der Tannenbaum.
Das ist noch besser als über das Meer zu ziehen! Wie leide ich an
Sehnsucht! Wäre es doch Weihnachten! Nun bin ich hoch und
entfaltet wie die andern, die im vorigen Jahr davon geführt wurden!
Oh, wäre ich erst auf dem Wagen, wäre ich doch in der warmen
Stube mit all der Pracht und Herrlichkeit! Und dann? Ja, dann
kommt noch etwas Besseres, noch Schöneres, warum würden sie
mich sonst schmücken? Es muss noch etwas Größeres,
Herrlicheres kommen! Aber was? Oh, ich leide, ich sehne mich, ich
weiß selbst nicht, wie mir ist!"
"Freue dich unser!" sagten die Luft und das Sonnenlicht, "freue dich
deiner frischen Jugend im Freien!"
Aber er freute sich durch aus nicht, er wuchs und wuchs, Winter
und Sommer stand er grün, dunkelgrün stand er da, die Leute, die
ihn sahen, sagten: "Das ist ein schöner Baum!" und zur
Weihnachtszeit wurde er von allen zuerst gefällt. Die Axt hieb tief
durch das Mark, der Baum fiel mit einem Seufzer zu Boden, er
fühlte einen Schmerz, eine Ohnmacht, er konnte gar nicht an
irgendein Glück denken, er war betrübt, von der Heimat scheiden zu
müssen, von dem Flecke, auf dem er emporgeschossen war, er
wusste ja, dass er die lieben, alten Kameraden, die kleinen Büsche
und Blumen ringsumher nie mehr sehen würde, ja vielleicht nicht
einmal die Vögel. Die Abreise hatte durchaus nichts Behagliches.
Der Baum kam erst wieder zu sich selbst, als er im Hofe mit andern
Bäumen abgeladen wurde und einen Mann sagen hörte: "Dieser hier
ist prächtig! Wir wollen nur den!"
Nun kamen zwei Diener im vollen Staat und trugen den Tannebaum
in einen großen, schönen Saal. Ringsherum an den Wänden hingen
Bilder, und bei dem großen Kachelofen standen große chinesische
Vasen mit Löwen auf den Deckeln, da waren Wiegestühle, seidene
Sofas, große Tische voll von Bilderbüchern und Spielzeug für
hundertmal hundert Taler, wenigstens sagten das die Kinder. Der
Tannenbaum wurde in ein großes, mit Sand gefülltes Fass gestellt,
aber niemand konnte sehen, dass es ein Fass war, denn es wurde
rundherum mit grünem Zeug behängt und stand auf einem großen,
bunten Teppich. Oh, wie der Baum bebte! Was würde da wohl
vorgehen? Sowohl die Diener als die Fräulein schmückten ihn. An
einen Zweig hängten sie kleine, aus farbigem Papier
ausgeschnittene Netze, und jedes Netz war mit Zuckerwerk gefüllt.
Vergoldete Äpfel und Walnüsse hingen herab, als wären sie
festgewachsen, und über hundert rote, blaue und weiße kleine
Lichter wurden in den Zweigen festgesteckt. Puppen, die leibhaft
wie die Menschen aussahen - der Baum hatte früher nie solche
gesehen -, schwebten im Grünen und hoch oben in der Spitze
wurde ein Stern von Flittergold befestigt. Das war prächtig, ganz
außerordentlich prächtig!
"Heute Abend", sagten alle, "heute Abend wird er strahlen!" und sie
waren außer sich vor Freude.
"Oh" dachte der Baum, "wäre es doch Abend! Würden nur die
Lichter bald angezündet! Und was dann wohl geschieht? Ob da wohl
Bäume aus dem Walde kommen, mich zu sehen? Ob die Meisen
gegen die Fensterscheiben fliegen? Ob ich hier festwachse und
Winter und Sommer geschmückt stehen werde?"
Ja, er wusste gut Bescheid, aber er hatte ordentlich
Borkenschmerzen vor lauter Sehnsucht, und Borkenschmerzen sind
für einen Baum ebenso schlimm wie Kopfscherzen für uns andere.
Nun wurden die Lichter angezündet. Welcher Glanz, welche Pracht!
Der Baum bebte in allen Zweigen dabei, so dass eins der Lichter
das Grüne anbrannte, es sengte ordentlich.
"Gott bewahre uns!" schrieen die Fräulein und löschten es hastig
aus. Nun durfte der Baum nicht einmal beben. Oh, das war ein
Grauen! Ihm war bange, etwas von seinem Staate zu verlieren, er
war ganz betäubt von all dem Glanze. Da gingen beide Flügeltüren
auf, und eine Menge Kinder stürzte herein, als wollten sie den
ganzen Baum umwerfen, die älteren Leute kamen bedächtig nach.
Die Kleinen standen ganz stumm, aber nur einen Augenblick, dann
jubelten sie wieder, dass es laut schallte, sie tanzten um den Baum
herum, und ein Geschenk nach dem andern wurde abgepflückt und
verteilt.
"Was machen sie?" dachte der Baum. Was soll geschehen?" Die
Lichter brannten gerade bis auf die Zweige herunter und je nachdem
sie niederbrannten, wurden sie ausgelöscht und dann erhielte die
Kinder die Erlaubnis den Baum zu plündern. Sie stürzten auf ihn zu,
dass es in allen Zweigen knackte, wäre er nicht mit der Spitze und
mit dem Goldstern an der Decke festgemacht gewesen, so wäre er
umgefallen.
Die Kinder tanzten mit ihrem prächtigen Spielzeug herum, niemand
sah nach dem Baume, ausgenommen das alte Kindermädchen, das
zwischen die Zweige blickte, aber es geschah nur, um zu sehen, ob
nicht noch eine Feige oder ein Apfel vergessen sei.
"Eine Geschichte, eine Geschichte!" riefen die Kinder und zogen
einen kleinen, dicken Mann gegen den Baum hin und er setzte sich
gerade unter ihn, "denn so sind wir im Grünen", sagte er, "und der
Baum kann besonders Nutzen davon haben, zuzuhören! Aber ich
erzähle nur eine Geschichte. Wollt ihr die von Ivede-Avede oder die
von Klumpe-Dumpe hören, der die Treppen hinunterfiel und doch
erhört wurde und die Prinzessin bekam?"
"Ivede-Avede!" schrieen einige, "Klumpe-Dumpe!" schrieen andere.
Das war ein Rufen! Nur der Tannenbaum schwieg ganz still und
dachte: "Komme ich gar nicht mit werde ich nichts dabei zu tun
haben?" Er hatte ja geleistet, was er sollte.
Der Mann erzählte von Klumpe-Dumpe, der die Treppen hinunterfiel
und doch erhört wurde und die Prinzessin bekam. Und die Kinder
klatschten in die Hände und riefen: "Erzähle, erzähle!" Sie wollten
auch die Geschichte von Ivede-Avede hören, aber sie bekamen nur
die von Klumpe-Dumpe. Der Tannenbaum stand ganz stumm und
gedankevoll, nie hatten die Vögel im Wald dergleichen erzählt.
Klumpe-Dumpe fiel die Treppen hinunter und bekam doch die
Prinzessin! Ja, ja, so geht es in der Welt zu!" dachte der
Tannenbaum und glaubte, dass es wahr sei, weil ein so netter Mann
es erzählt hatte. "Ja, ja! Vielleicht falle ich auch die Treppe hinunter
und bekomme eine Prinzessin!" Und er freute sich, den nächsten
Tag wieder mit Lichtern und Spielzeug, Gold und Früchten und dem
Stern von Flittergold aufgeputzt zu werden.
"Morgen werde ich nicht zittern!" dachte er, Ich will mich recht aller
meiner Herrlichkeit freuen. Morgen werde ich wieder die Geschichte
von Klumpe-Dumpe und vielleicht auch die von Ivede-Avede hören."
Und der Baum stand die ganze Nacht still und gedankenvoll.
Am Morgen kamen die Diener und das Mädchen herein. "Nun
beginnt der Staat aufs neue!" dachte der Baum, aber sie schleppten
ihn zum Zimmer hinaus, die Treppe hinauf, auf den Boden und
stellten ihn in einen dunklen Winkel, wohin kein Tageslicht schien.
"Was soll das bedeuten?" dachte der Baum. "Was soll ich hier wohl
machen? Was mag ich hier wohl hören sollen?" Er lehnte sich
gegen die Mauer und dachte und dachte. Und er hatte Zeit genug,
denn es vergingen Tage und Nächte, niemand kam herauf und als
endlich jemand kam, so geschah es, u m einige große Kisten in
den Winkel zu stellen, der Baum stand ganz versteckt, man musste
glauben, dass er ganz vergessen war.
"Nun ist es Winter draußen!" dachte der Baum. Die Erde ist hart
und mit Schnee bedeckt, die Menschen können mich nicht
Pflanzen, deshalb soll ich wohl bis zum Frühjahr hier im Schutz
stehen! Wie wohlbedacht ist das! Wie die Menschen doch so gut
sind! Wäre es hier nur nicht so dunkel und schrecklich einsam!
Nicht einmal ein kleiner Hase! Das war doch niedlich da draußen im
Wald, wenn der Schnee lag und der Hase vorbeisprang, ja selbst
als er über mich hinweg sprang, aber damals mochte ich es nicht
leiden. Hier oben ist es doch schrecklich einsam!"
"Piep, Piep!" sagte da eine kleine Maus und huschte hervor und
dann kam noch eine kleine. Sie beschnüffelten den Tannenbaum
und dann schlüpften sie zwischen seine Zweige. "Es ist eine
gräuliche Kälte!" sagten die kleinen Mäuse. "Sonst ist es gut hier
zu sein, nicht wahr du alter Tannenbaum?" "Ich bin gar nicht alt!"
sagte der Tannenbaum, " es gibt viele, die weit älter sind als ich!"
"Woher kommst du?" fragten die Mäuse, "und was weißt du?" Sie
waren gewaltig neugierig, "Erzähle uns doch von den schönsten
Orten auf Erden! Bist du dort gewesen? Bist du in der Speiskammer
gewesen, wo Käse auf den Brettern liegen und Schinken unter der
Decke hängen, wo man auf Talglicht tanzt, mager hineingeht und
fett herauskommt?"
"Das kenne ich nicht", sagte der Baum, "aber den Wald kenne ich,
wo die Sonne scheint und die Vögel singen!" Und dann erzählte er
alles aus seiner Jugend. Die kleinen Mäuse hatten früher nie
dergleichen gehört, sie horchten auf und sagten: "Wie viel du
gesehen hast! Wie glücklich du gewesen bist!"
"Ich?" sagte der Tannenbaum und dachte über das, was er selbst
erzählte, nach. " Ja, es waren im Grunde ganz fröhliche Zeiten!"
Aber dann erzählte er vom Weihnachtsabend, wo er mit Zuckerwerk
und Lichtern geschmückt war.
"Oh", sagten die kleine Mäuse, "wie glücklich du gewesen bist, du
alter Tannenbaum!" "Ich bin gar nicht alt!" sagte der Baum, "erste in
diesem Winter bin ich aus dem Wald gekommen! Ich bin in meinem
allerbesten Alter, ich bin nur so aufgeschossen."
"Wie schön du erzählst!" sagten die kleinen Mäuse, und in der
nächsten Nacht kamen sie mit vier anderen kleinen Mäusen, die
den Baum erzählen hören sollten, und je mehr er erzählte, desto
deutlicher erinnerte er sich selbst an alles und dachte: " Es waren
doch ganz fröhliche Zeiten! Aber sie können wiederkommen, können
wiederkommen! Klumpe-Dumpe fiel die Treppe hinunter und bekam
doch die Prinzessin, vielleicht kann ich auch eine Prinzessin
bekommen." Und dann dachte der Tannenbaum an eine kleine,
niedliche Birke, die draußen im Wald wuchs, das war für den
Tannenbaum eine wirkliche, schöne Prinzessin.
"Wer ist Klumpe-Dumpe?" fragten die kleinen Mäuse. Da erzählte
der Tannenbaum das ganze Märchen, er konnte sich jedes Wortes
entsinnen, die kleinen Mäuse sprangen aus reiner Freude bis an die
Spitze des Baumes. In der folgenden Nacht kamen weit mehr
Mäuse und am Sonntag sogar zwei Ratten, aber die meinten, die
Geschichte sei nicht hübsch, und das betrübte die kleinen Mäuse,
denn nun hielten sie auch weniger davon. "Wissen Sie nur die eine
Geschichte?" fragten die Ratten.
"Nur die eine", antwortete der Baum, "die hörte ich an meinem
glücklichsten Abend, aber damals dachte ich nicht daran, wie
glücklich ich war."
"Das ist eine höchst jämmerliche Weihnachtsgeschichten Geschichte! Kennen Sie keine von
Speck und Talglicht? Keine Speiskammergeschichte?" "Nein!"
sagte der Baum. "Ja, dann danken wir dafür!" erwiderten die Ratten
und gingen zu den Ihrigen zurück.
Die kleinen Mäuse blieben zuletzt auch weg und da seufzte der
Baum: "Es war doch ganz hübsch, als sie um mich herumsaßen,
die beweglichen kleinen Mäuse, und zuhörte, wie ich erzählte! Nun
ist auch das vorbei! Aber ich werde gerne daran denken, wenn ich
wieder hervorgenommen werde."
Aber wann geschah das? Ja, es war eines Morgens, da kamen
Leute und wirtschafteten auf dem Boden, die Kisten wurden
weggesetzt, der Baum wurde hervorgezogen, sie warfen ihn freilich
ziemlich hart gegen den Fußboden, aber ein Diner schleppte ihn
gleich zur Treppe hin, wo der Tag leuchtete.
"Nun beginnt das Leben wieder!" dachte der Baum, er fühlte die
frische Luft, die ersten Sonnenstrahlen und nun war er draußen auf
dem Hof. Alles ging geschwind, der Baum vergaß völlig, sich selbst
zu betrachten, da war so vieles ringsumher zu sehen. Der Hof stieß
an einen Garten und alles blühte darin, die Rosen hingen frisch und
duftend über das kleine Gitter hinaus, die Lindenbäume blühten und
die Schwalben flogen umher und sagten: "Quirrevirrevit, mein Mann
ist gekommen!" Aber es war nicht der Tannenbaum, den sie
meinten.
"Nun werde ich leben!" jubelte der Baum und breitete seine Zweige
weit aus, aber ach, die waren alle vertrocknet und gelb und er lag da
zwischen Unkraut und Nesseln. Der Stern von Goldpapier saß noch
oben in der Spitze und glänzte im hellen Sonnenschein.
Im Hof selbst spielten ein paar der munteren Kinder, die zur
Weihnachtszeit den Baum umtanzt hatten und so froh über ihn
gewesen waren. Eins der kleinsten lief hin und riss den Goldstern
ab.
"Sieh, was da noch an dem hässlichen, alten Tannebaum sitzt!"
sagte es und trat auf die Zweig, so dass sie unter seinen Stiefeln
knackten. Der Baum sah auf all die Blumenpracht und Frische im
Garten, er betrachtete sich selbst und wünschte, dass er in seinem
dunklen Winkel auf dem Boden geblieben wäre, er gedachte seiner
frischen Jugend im Wald, des lustigen Weihnachtsabends und der
kleinen Mäuse, die so munter die Geschichte von Klumpe-Dumpe
angehört hatten.
"Vorbei, vorbei!" sagte der arme Baum. "Hätte ich mich doch
gefreut, als ich es noch konnte! Vorbei, vorbei!" Der Diener kam und
hieb den Baum in kleine Stücke, ein ganzes Bund lag da, hell
flackerte es auf unter dem großen Braukesse. Der Baum seufzte
tief und jeder Seufzer war einem kleinen Schusse gleich, deshalb
liefen die Kinder, die da spielten, herbei und setzten sich vor das
Feuer, blickten hinein und riefen: "Piff, paff!" Aber bei jedem Knalle,
der ein tiefer Seufzer war, dachte der Baum an einen Sommerabend
im Wald oder an eine Winternacht da draußen, wenn die Sterne
funkelten, er dachte an den Weihnachtsabend und an
Klumpe-Dumpe, das einzige Märchen, das er gehört hatte und zu
erzählen wusste - und dann war der Baum verbrannt.
Die Knaben spielten im Garten und der kleinste hatte den Goldstern
auf der Brust, den der Baum an seinem glücklichsten Abend
getragen hatte. Nun war der vorbei und mit dem Baum war es vorbei
und mit der Geschichte auch. Vorbei, vorbei!
Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern
Es war entsetzlich kalt; es schneite, und der Abend dunkelte bereits; es war der letzte Abend im Jahre, Silvesterabend. In dieser Kälte und in dieser Finsternis ging auf der Straße ein kleines armes Mädchen mit bloßen Kopfe und nackten Füßen. Es hatte wohl freilich Pantoffel angehabt, als es von Hause fort ging, aber was konnte das helfen! Es waren sehr große Pantoffeln, sie waren früher von seiner Mutter gebraucht worden, so groß waren sie, und diese hatte die Kleine verloren, als sie über die Straße eilte, während zwei Wagen in rasender Eile vorüberjagten; der eine Pantoffel war nicht wieder aufzufinden und mit dem anderen machte sich ein Knabe aus dem Staube, welcher versprach, ihn als Wiege zu benutzen, wenn er einmal Kinder bekäme.
Da ging nun das kleine Mädchen auf den nackten zierlichen Füßchen, die vor Kälte ganz rot und blau waren. In ihrer alten Schürze trug sie eine Menge Schwefelhölzer und ein Bund hielt sie in der Hand. Während des ganzen Tages hatte ihr niemand etwas abgekauft, niemand ein Almosen gereicht. Hungrig und frostig schleppte sich die arme Kleine weiter und sah schon ganz verzagt und eingeschüchtert aus. Die Schneeflocken fielen auf ihr langes blondes Haar, das schön gelockt über ihren Nacken hinab floss, aber bei diesem Schmucke weilten ihre Gedanken wahrlich nicht. Aus allen Fenstern strahlte heller Lichterglanz und über alle Straßen verbreitete sich der Geruch von köstlichem Gänsebraten. Es war ja Silvesterabend, und dieser Gedanke erfüllte alle Sinne des kleinen Mädchens.
In einem Winkel zwischen zwei Häusern, von denen das eine etwas weiter in die Straße vorsprang als das andere, kauerte es sich nieder. Seine kleinen Beinchen hatte es unter sich gezogen, aber es fror nur noch mehr und wagte es trotzdem nicht, nach Hause zu gehen, da es noch kein Schächtelchen mit Streichhölzern verkauft, noch keinen Heller erhalten hatte. Es hätte gewiss vom Vater Schläge bekommen, und kalt war es zu Hause ja auch; sie hatten das bloße Dach gerade über sich, und der Wind pfiff schneidend hinein, obgleich Stroh und Lumpen in die größten Ritzen gestopft waren. Ach, wie gut musste ein Schwefelhölzchen tun! Wenn es nur wagen dürfte, eins aus dem Schächtelchen herauszunehmen, es gegen die Wand zu streichen und die Finger daran zu wärmen! Endlich zog das Kind eins heraus. Ritsch! wie sprühte es, wie brannte es. Das Schwefelholz strahlte eine warme helle Flamme aus, wie ein kleines Licht, als es das Händchen um dasselbe hielt. Es war ein merkwürdiges Licht; e
Ein neues wurde angestrichen, es brannte, es leuchtete, und an der Stelle der Mauer, auf welche der Schein fiel, wurde sie durchsichtig wie ein Flor. Die Kleine sah gerade in die Stube hinein, wo der Tisch mit einem blendend weißen Tischtuch und feinem Porzellan gedeckt stand, und köstlich dampfte die mit Pflaumen und Äpfeln gefüllte, gebratene Gans darauf. Und was noch herrlicher war, die Gans sprang aus der Schüssel und watschelte mit Gabel und Messer im Rücken über den Fußboden hin; gerade die Richtung auf das arme Mädchen schlug sie ein. Da erlosch das Schwefelholz, und nur die dicke kalte Mauer war zu sehen.
Sie zündete ein neues an. Da saß die Kleine unter dem herrlichsten Weihnachtsbaum; er war noch größer und weit reicher ausgeputzt als der, den sie am Heiligabend bei dem reichen Kaufmann durch die Glastür gesehen hatte. Tausende von Lichtern brannten auf den grünen Zweigen, und bunte Bilder, wie die, welche in den Ladenfenstern ausgestellt werden, schauten auf sie hernieder, die Kleine streckte beide Hände nach ihnen in die Höhe - da erlosch das Schwefelholz. Die vielen Weihnachtslichter stiegen höher und höher, und sie sah jetzt erst, dass es die hellen Sterne waren. Einer von ihnen fiel herab und zog einen langen Feuerstreifen über den Himmel.
»Jetzt stirbt jemand!« sagte die Kleine, denn die alte Großmutter, die sie allein freundlich behandelt hatte, jetzt aber längst tot war, hatte gesagt: »Wenn ein Stern fällt, steigt eine Seele zu Gott empor!«
Sie strich wieder ein Schwefelholz gegen die Mauer; es warf einen weiten Lichtschein ringsumher, und im Glanze desselben stand die alte Großmutter hell beleuchtet mild und freundlich da.
»Großmutter!« rief die Kleine, »oh, nimm mich mit dir! Ich weiß, dass du verschwindest, sobald das Schwefelholz ausgeht, verschwindest, wie der warme Kachelofen, der köstliche Gänsebraten und der große flimmernde Weihnachtsbaum!« Schnell strich sie den ganzen Rest der Schwefelhölzer an, die sich noch im Schächtelchen befanden, sie wollte die Großmutter festhalten; und die Schwefelhölzer verbreiteten einen solchen Glanz, dass es heller war als am lichten Tag. So schön, so groß war die Großmutter nie gewesen; sie nahm das kleine Mädchen auf ihren Arm, und hoch schwebten sie empor in Glanz und Freude; Kälte, Hunger und Angst wichen von ihm - sie war bei Gott.
Aber im Winkel am Hause saß in der kalten Morgenstunde das kleine Mädchen mit roten Wangen, mit Lächeln um den Mund - tot, erfroren am letzten Tage des alten Jahres. Der Morgen des neuen Jahres ging über der kleinen Leiche auf, die mit den Schwefelhölzern, wovon fast ein Schächtelchen verbrannt war, dasaß. »Sie hat sich wärmen wollen!« sagte man. Niemand wusste, was sie schönes gesehen hatte, in welchem Glanze sie mit der alten Großmutter zur Neujahrsfreude eingegangen war.
Vom eingebildeten Eiszapfen
Es war einmal ein Eiszapfen, der so glitzerfunkelprächtig vom Wasserfall herunter wuchs, das die Leute bewundernd vor ihm stehen blieben. Dies schmeichelte dem glitzerfunkelprächtigen Eiszapfen, und er rief voller Stolz: "Ich bin der schönste Eiszapfen auf der Welt!"
"Stimmt", sagte die Sonne, die eines Tages ihre Strahlen vom Winterhimmel auf die Erde schickte. Der Eiszapfen aber staunte. "Du bist ja noch viel glitzerfunkelprächtiger als ich". Rief er. "Komm zu mir! Wir beide vereint werden das schönste Gebilde sein, das Menschen je auf dieser Erde gesehen haben." "Nichts lieber als das", rief die Sonne mit einem schelmischen Grinsen und streichelt dem eingebildeten Eiszapfen über sein funkelndes Eiskleid.
Vor Freude wurde es dem Eiszapfen warm ums Herz, so war, dass er glaubte, vor Stolz zu zerfließen-en-ennn, und - tropf, tropf, tropf- schmolz er dahin und war verschwunden.
Von Elke Bräunling, Musikbär Verlag
Unser Weihnachtsengel
Das blonde Mädchen stand am Fenster und beobachtete, wie die sternförmigen Schneeflocken in lustigen Kreisen langsam der Erde zu fielen. Plötzlich drehte sie sich um. Das Zimmer war groß und hell erleuchtet. Die Mutter stand auf einem Stuhl, um dem Weihnachtsbaum den letzten goldenen Stern aufzusetzen. Alles sah auf den ersten Blick so fröhlich aus. Aber in den Augen der beiden Menschen spiegelte sich der Schmerz.
"Mama, wann kommt denn der Vati heim?" Die Frau drehte sich um und langsam kullerte ihr eine Träne über die Wange. "Kimm her meine Kleine. Der Papi kommt nie mehr wieder!"
Bei diesen schrecklichen Worten bahnten sich die Tränen auch bei der Kleinen ihren Weg. Sie konnte noch nicht verstehen, was damals geschehen war. Sie war ja noch so klein. Daddy war auf dem Nachhauseweg, als es passierte. Er konnte dem Lastwagen auf der vereisten Strasse nicht mehr ausweichen. Das Auto donnerte mit voller Geschwindigkeit in einen Baum. Der Mann starb noch am Unfallort.
Mutter und Tochter hielten sich fest in den Armen und erst jetzt bemerkte das Mädchen den wunderschönen Engel, der sich inzwischen auf einem Stuhl niedergelassen hatte. Er trug ein goldenes Gewand und über seinem Kopf schwebte ein gleichfarbener Ring.
"Mutti, schau doch, der Engel ist vom Himmel extra zu uns gekommen!" Sie erhob sich und eilte durch das Zimmer. Die Mutter konnte nur den leeren Stuhl sehen. "Komm zurück, Schatz. Engel setzen sich nicht auf Stühle.." - "Aber sieh doch, da sitzt einer!" Der Engel lächelte. Er wusste nur zu gut, dass Erwachsene durch ihn hindurch sahen.
Er bückte sich zu dem blonden Geschöpf. "Du musst jetzt stark sein und gut auf deine Mami aufpassen. Dem Papi geht es gut, er ist bei mir im Himmel. Jeden Tag begleitet er euch zwei überall hin. Ihr dürft nie vergessen, dass er immer da ist, egal zu welcher Zeit und wo ihr gerade seid."
Ein Staunen breitete sich auf dem Gesicht des Kindes aus. Der Engel streckte seine Hand aus und berührte sanft ihre Wange. Dann erhob er sich und flatterte zum offenen Fenster hinaus.
Die Mutter sah ihre Tochter da stehen, wie sie das Fenster anstarrte. Die Traurigkeit breitete sich noch mehr in ihrem Herzen aus. Aber da drehte sich die Kleine um, und ein Lächeln stand in ihren Augen.
"Mami, der Engel hat mir verraten, dass Vati bei uns ist. Das ist doch schön!" Die Frau nahm ihr Kind in die Arme und drückte es ganz fest an sich. Sie beobachtete die Schneeflocken, die auch jetzt noch langsam vom Himmel der Erde zu fielen.
Der Christbaumständer
Beim Aufräumen des Dachbodens - ein paar Wochen vor Weihnachten - entdeckte ein Familienvater in einer Ecke einen ganz verstaubten, uralten Weihnachtsbaumständer. Es war ein besonderer Ständer mit einem Drehmechanismus und einer eingebauten Spielwalze. Beim vorsichtigen Drehen konnte man das Lied "Oh du fröhliche…" erkennen. Das musste der Christbaumständer sein, von dem Großmutter immer erzählte, wenn die Weihnachtszeit herankam. Das Ding sah zwar fürchterlich aus, doch da kam
ihm ein wunderbarer Gedanke. Wie würde sich Großmutter freuen, wenn sie am Heiligabend vor dem Baum säße und dieser sich auf einmal wie in uralter Zeit zu drehen begänne und dazu "Oh du fröhliche…" spielte. Nicht nur Großmutter, die ganze Familie würde staunen.
Es gelang ihm, mit dem antiken Stück ungesehen in seinen Bastelraum zu verschwinden. Gut gereinigt, eine neue Feder, dann müsste der Mechanismus wieder funktionieren. Überlegt er. Abends zog er sich jetzt geheimnisvoll in seinen Hobbyraum zurück, verriegelte die Tür und werkelte. Auf neugierige Fragen antwortete er immer nur "Weihnachtsüberraschung". Kurz vor Weihnachten hatte er es geschafft. Wie neu sah der Ständer aus, nachdem er auch noch einen Anstrich erhalten hatte.
Jetzt aber gleich los und einen prächtigen Christbaum besorgen, dachte er. Mindestens zwei Meter sollte der messen. Mit einem wirklich schön gewachsenen Exemplar verschwand Vater dann in seinem Hobbyraum. Wo er auch gleich einen Probelauf startete. Es funktionierte alles bestens. Würde Großmutter Augen machen!
Endlich war Heiligabend. "Den Baum schmücke ich alleine", tönte Vater. So aufgeregt war wer lange nicht mehr. Echte Kerzen hatte er besorgt, alles sollte stimmen. "Die werden Augen machen", sagte er bei jeder Kugel, die er in den Baum hin. Vater hatte wirklich an alles gedacht. Der Stern von Bethlehem saß oben auf der Spitze, bunte Kugeln, Naschwerk und Wunderkerzen waren
untergebracht, Engelhaar und Lametta dekorativ aufgehängt. Die Feier konnte beginnen.
Vater schleppte für Großmuter den großen Ohrensessel herbei. Feierlich wurde sie geholt und zu ihrem Ehrenplatz geleitet. Die Stühle hatte er in einem Halbkreis um den Tannenbaum gruppiert. Die Eltern setzten sich rechts und links von Großmutter, die Kinder nahmen außen Platz. Jetzt kam Vaters großer Auftritt. Bedächtig zündete er Kerze für Kerze an, dann noch die Wunderkerzen. "Und jetzt kommt die große Überraschung", verkündete er, löste die Sperre am Ständer und nahm ganz schnell seinen Platz ein.
Langsam drehte sich der Weihnachtsbaum, hell spielte die Musikwalze "Oh du fröhliche". War das eine Freude! Die Kinder klatschten vergnügt in die Hände. Oma hatte Tränen der Rührung in den Augen. Immer wieder sagte sie: "Wenn Großvater das noch erleben könnte, dass ich das noch erleben darf." Mutter war stumm vor Staunen.
Eine ganze Weile schaute die Familie beglückt und stumm auf den sich im Festgewand drehenden Weihnachtsbaum, als ein schnarrendes Geräusch sie jäh aus ihrer Versunkenheit riss. Ein Zittern durchlief den Baum, die bunten Kugeln klirrten wie Glöckchen. Der Baum fing an, sich wie verrückt zu drehen. Die Musikwalze hämmerte los. Es hörte sich an, als wollte "Oh du
fröhliche" sich selbst überholen. Mutter rief mit überschnappender Stimme: "So tu doch was!" Vater saß wie versteinert, was den Baum nicht davon abhielt, seine Geschwindigkeit zu steigern. Er dreht sich so rasant, dass die Flammen hinter ihren Kerzen herwehten. Oma bekreuzigte sich und betete. Dann murmelte sie: "Wenn Großvater das noch erlebt hätte."
Als Erstes löste sich der Stern von Bethlehem, sauste wie ein Komet durch das Zimmer, klatschte gegen den Türrahmen und fiel dann auf Felix, den Dackel. Der dort ein Nickerchen hielt. Der arme Hund flitzte wie von der Tarantel gestochen aus dem Zimmer in die Küche, wo man von ihm nur noch die Nase und ein Auge um die Ecke schielen sah. Lametta und Engelhaar hatten sich erhoben und schwebten wie ein Kettenkarussell am Weihnachtsbaum. Vater gab das Kommando "Alles in Deckung!" Ein Rauschgoldengel trudelte losgelöst durchs Zimmer, nicht wissend, was er mit seiner plötzlichen Freiheit anfangen solle.
Weihnachtskugeln, gefüllter Schokoladenschmuck und andere Anhängsel sausten wie Geschosse durch das Zimmer und platzten beim Aufschlagen auseinander.
Die Kinder hatten hinter Omas Sessel Schutz gefunden. Vater und Mutter lagen flach auf dem Bauch, den Kopf mit den Armen schützend. Mutter jammerte in den Teppich hinein: "Alles umsonst, die viele Arbeit, alles umsonst!" Vater war das alles sehr peinlich. Oma saß immer noch auf ihrem Logenplatz, wie erstarrt, von oben bis unten mit Engelhaar und Lametta geschmückt . Ihr kam Großvater in den Sinn, als dieser 14 - 18 in den Ardennen in feindlichem Artilleriefeuer gelegen hatte. Genau so musst es gewesen sein. Als gefüllter Schokoladenbaumschmuck an ihrem Kopf explodierte, registrierte sie Trocken "Kirschwasser" und murmelte: "Wenn Großvater das noch erlebt hätte!" Zu allem jaulte die Musikwalze im Schlupfakkord "Oh du fröhliche...". Bis mit
einem ächzenden Ton der Ständer seinen Geist aufgab.
Durch den plötzlichen Stopp neigte sich der Christbaum in Zeitlupe, fiel aufs kalte Buffet, die letzte Nadeln von sich gebend. Totenstille! Großmutter, geschmückt wie nach einer New Yorker Konfettiparade, erhob sich schweigend. Kopfschüttelnd begab sie sich, eine Lamettagirlande wie eine Schleppe tragend, auf ihr Zimmer. In der Tür stehend sagte sie: "Wie gut das Großvater das
nicht erlebt hat!"
Mutter, völlig aufgelöst zu Vater: "Wenn ich mir diese Bescherung ansehe, dann ist deine große Überraschung wirklich gelungen." Andreas meinte: "Du, Papi, das war echt stark! Machen wir das jetzt Weihnachten immer so?"
Das schönste Geschenk
Nur noch zwei Tage. Heute muss Papa noch arbeiten, aber morgen am heiligen Abend wird er zu Hause sein. Und er hatte versprochen, dass sie alle zusammen rausgehen würden in den Wald. Sie wollten sich zusammen
einen schönen Christbaum aussuchen. Papa, Mama, Tom und seine kleine Schwester Sarah.
Es sollte ein schöner Baum sein: Groß, so dass er bis zu Decke der Stube reichte. Und breit, damit er mitten in der Stube stehen konnte. Man wollte sich fast wie draußen fühlen, nur viel wärmer. Er musste natürlich auch viele starke Zweige haben, sonst konnte man ihn ja gar nicht richtig schmücken.
Tom und Sarah waren heute schon einmal in den Wald gegangen - allerdings nicht weit, da hatten sie doch zuviel Angst. Sie wollten sehen, ob sie Papa morgen nicht überraschen könnten. Vielleicht finden sie ja schon den richtigen Baum. Und tatsächlich, nur wenige Meter vom Waldrand entfernt stand eine schöne gerade Tanne, wie man sie sich vorgestellt hatte.
Vorsichtig gingen die beiden Kinder zu dem Baum, begutachteten ihn von allen Seiten, rüttelten ein bisschen an den Zweigen. Sie konnten natürlich nicht bis ganz oben sehen, dafür waren sie zu klein, aber Tom meinte "Der ist richtig! Das wird unser Weihnachtsbaum!" Und Sarah stimmte ihrem großen Bruder zu. Schließlich wusste der immer, was richtig war. Na ja, manchmal machte er auch ziemlich Blödsinn, wie damals, als er das Bonbon-Glas vom Schrank geworfen hatte. Aber meistens hatte er Recht, dafür war er schließlich ihr großer
Bruder!
Plötzlich hörten sie eine Stimme, sie schien leise zu rauschen, klang wie das Rascheln von Blättern. "Danke", sagte die Stimme, "dass ich euch gefalle." "Was war das, Tom?" "Ich weiß nicht, vielleicht nur der Wind." Selbst
Sarah merkte, dass es Tom nicht ganz geheuer war. Und dann kam wieder die Stimme, diesmal etwas kräftiger. "Ich bin es, die Tanne. Entschuldigt, falls ich euch Angst mache, das wollte ich nicht. Ich freu mich nu, dass ihr
mich schön findet. Die meisten Menschen sehen mich hier nämlich gar nicht. "
Die Kinder waren erstaunt. Von einem Weihnachtsbaum, der reden kann, hatten sie noch nie gehört. Aber für Tom war das die Krönung: "Mensch, wir werden einen sprechenden Christbaum in der Stube haben. Wenn das nicht das Tollste ist." Sarah kam das schon etwas seltsam vor.
Und der Baum schien nicht so ganz einverstanden zu sein: "Entschuldigt mal, ihr wollt mich doch hoffentlich nicht absägen? Ich meine, ein Baum gehört doch nicht ins Haus. Ich bin doch auch noch gar nicht alt, erst 10 Jahre…" Sarah sagte zu Tom, "Du, ich glaube der Baum hat Angst." "Ach was, das ist doch nur ein Baum. Papa sägt den ab und Mama schmückt ihn dann schön. Dann haben wir einen wunderschönen Baum in der Stube." "Das ist aber nicht gut", rauschte die Tanne, "ich will doch noch älter werden, genau wie ihr. Außerdem könnte
ich sowieso nicht mehr sprechen, wenn ich nicht an meinen Wurzeln fest bin."
Jetzt wollte Sarah doch schnell nach Hause, sie hatte Tränen in den Augen. Nicht nur weil sie Angst hatte, sie weinte um den armen Baum, der gerade mal so alt wie Tom war. Und den wollte sie doch auch nicht verlieren.
"Das tut mir leid, dass du jetzt weinst, Kleine. Ich wollte dich nicht traurig machen. Du kannst mich gerne immer wieder besuchen und mit mir reden. Aber in eurer Stube geht das nicht." "Und was ist mit unserem schön geschmückten Baum", rief Tom, "sollen wir uns vielleicht einen anderen holen?" "Nein, natürlich nicht", antwortete die Tanne entsetzt, " aber ich habe da eine Idee. Wie wäre es denn, wenn ihr mich hier draußen schmückt und dann mit mir hier Weihnachten feiert?" Einen Moment dachte Tom nach, Sarah sah ihn flehentlich an, dann sagt er, "Das wäre schön. Und wir können Papa überraschen."
Gesagt, getan, Tom und Sarah liefen zurück zum Haus und besprachen alles mit Mama. Dann gingen sie alle, voll gepackt mit Christbaumkugeln, Lametta, kleinen Engeln und Süßigkeiten zur Tanne und begannen sie zu schmücken.
Am nächsten Tag hielten sie Papa im Haus fest, immer war noch etwas zu machen. Erst kurz vor dem Dunkelwerden verschwand Mama. Und dann nahm Papa seine große, schwere Taschenlampe, "So, jetzt müssen wir uns aber beeilen, sonst finden wir keinen Baum mehr!" Tom und Sarah blinzelten sich zu, hielten sich aber immer ganz dicht bei Papa, damit sie ja nicht bei einem falschen Baum blieben.
Plötzlich sahen sie ein paar Lichter vor sich. Papa war erstaunt, wollte sehen was da los sei. Sie gingen jetzt genau auf ihren Baum zu - und der erstrahlte in prächtigem Glanz, schön geschmückt mit vielen, vielen Kerzen. Und um den Baum verteilt lagen die Geschenke. Mama hatte alles schön vorbereitet, damit Papa wirklich überrascht war.
Sarah aber zwinkerte dem Baum zu und raunte "Das verraten wir aber keinem, dass du reden kannst. Und im nächsten Jahr feiern wir Weihnachten wieder mit dir!" Der Baum raschelte leise zurück, Wörter konnte man nicht unterscheiden, aber Sarah wusste auch so was er sagte.
Noch heute, Sarah ist inzwischen selber Mutter geworden und ihre Tochter hat auch schon wieder ein Kind, kommt sie jedes Jahr zu der Tanne, die wie durch ein Wunder immer noch an der gleichen Stelle steht. Dann erzählen sie sich, was im vergangenen Jahr alles so passiert ist - und freuen sich auf noch viele gemeinsame Weihnachtsfeste.
Eine Weihnachtstraumgeschichte
Hinter der den Bergen blinzelte gerade die Sonne hervor. Sie trocknete gedankenverloren die letzten Regentropfen um sich herum, die sie manchmal weinen machten und breitete dann ihr wärmendes Gefieder aus. Sie umspannte den Horizont, der ihr zärtlich wohlgesonnen war. Alles war so unbegreiflich schön.
Auf den Feldern rieben sich die Erdbeeren den Schlaf aus den Augen. "Hmmm", machte die Sonne. Unter ihrer sanften Glut entfalteten sie ein wunderbares Aroma. Nun zogen neugierig die Zuckerwattewölkchen heran. Auch sie wollten den neuen Tag begrüßen, denn heute sollte ein - erst keimendes Pflänzchen - zur Blüte erwachen. Die Stille und die Freiheit waren wie von Sinnen. Der rauschende, kühle Gebirgsbach wusch sich immer klarer. Er war von schimmerndem Eisblau und wusste um seine Wirkung, seine überzogene Reinheit. "Guten Morgen, stolzes Wasser!" sagte die Erde. Die Gräser und Blumen würzten die frische Luft, die voller Lebenslust und Freude zu einem mächtigen Wind aufbrauste. Eine Spur zu übermütig. Die wilde Sahne am Himmel wirbelte durcheinander.
Erbost über so viel Untugend streute der Sand seine Körner aus. Die Blüten tanzten einen ungezügelten Reigen. Plötzlich glättete eine unbekannte Kraft die Wogen. Die Bäume ruhten von ihrem Schaukeln, die Stimmen der Blätter im Wind von ihren Schwingungen aus. Vorsichtig tastend lugte ein neuer Erdenbewohner hervor. Alles schaute und staunte und war ganz gerührt von soviel unmittelbarem Augenblick. Das Pflänzchen - man nennt es Liebe - hatte sich voll entfaltet. Die Blumen sangen Wiegenlieder im Takt des väterlichen Windes, erfüllt von Dankbarkeit gegenüber dem Wunder Natur. Und Mutter Sonne breitete wieder stolz ihre Arme aus. Noch nie hatte sie so gestrahlt wie an diesem Morgen unschätzbaren Glücks....
Auf der anderen Seite der Welt erwachte Karl unter der Brücke. Die Kälte in den Gliedern hatte seinen Körper steif gemacht. Nebel war über dem Flüsschen zu sehen, von der Sonne keine Spur. Er schnürte sein Bündel und trottete in ausgelatschten Pantoffeln die noch schlafende Gasse entlang. In der dritten Straße kam er an einer Abfalltonne vorbei. Er schaute mit müden Augen hinein und fand ein rotes warmes Gewand, das er sich hastig überstreifte. Mit gebücktem Rücken ging er weiter. Er musste sich mittlerweile durch hohen Schnee kämpfen, denn hier war der Pfad noch nicht so ausgetreten.
"Peng." Ein Schneeball hatte ihn direkt ins Gesicht getroffen. Es folgten lärmendes Kindergeschrei, ein Lachen, dann ein großer Schreck. "Peter spinnst du, jetzt hast du den Weihnachtsmann getroffen!" Besagter Peter begann kläglich zu weinen "Es gibt ihn doch, und ich hab gar nicht an ihn geglaubt und jetzt ist er bestimmt böse auf mich und ich bekomme keine Geschenke!" Die Mutter lächelte. "Kommen Sie doch heute Abend bei uns vorbei... Gartenstr. 29, sagen wir 19 Uhr."
Karl war verdutzt und schaute die engelgleiche Frau ungläubig an. "Doch wirklich", sagte sie nun, "ich würde mich sehr freuen!" Als Karl sich am Abend dem Haus mit der Nummer 29 näherte, wehte ihm der köstliche Duft von Bratäpfeln entgegen. Die Tür war nur angelehnt und so trat er beherzt ein. "Da sind Sie ja, wir haben sie schon erwartet!" klang es aus der Küche. Es wurde eine lange Weihnachtsnacht mit unbeschwertem Lachen und besinnlichen Gesprächen. Karl hatte seinen Glauben wiedergefunden. An das Gute im Menschen. An das Positive im Leben und Werden. Und Peter wusste nun, dass er doch existierte - derjenige, den die Kälte fast auffrisst und der von ganz tief unten dennoch den richtigen Weg findet. Als sich Karl zum Gehen wand, legte sich ihm eine Hand auf die Schulter. "Bleiben Sie! Sie haben diesem Haus die Freude zurückgegeben. Peters Mutter hatte einen Anruf erhalten. Ihr Mann würde aus Bosnien zurückkehren und wäre auf der Suche nach einem lebenserfahrenen Geschichtenerzähler in der Bücherei in der Nähe der Kirche.
So bekam Karl das Zimmer im Dachgeschoss. Karl, der sich früher so manche frostige Nacht unter der Brücke um die Ohren schlug, schrieb nun manchmal nächtelang in seinem warmen Stübchen.Ab und zu brachte Peter Schulfreunde mit nach Hause, die nur wegen Karl kamen um seine Geschichten zu hören. Diese Erkenntnis trieb Karl mehr als einmal Tränen der Rührung in die Augen, die er sich verstohlen wegwischte. Er lächelte über das ganze Gesicht und war unsagbar glücklich.
Und er erinnerte sich nur zu gern an den schicksalhaften Weihnachtsabend an dem die Sterne um die Wette strahlten. In jener Nacht voller Erleuchtung.
Bräuche und Sitten
Adventzeit
Die Adventzeit beginnt mit dem 1. Sonntag nach dem 26. November. und endet immer mit dem 24. Dezember – somit dauert sie 4 Sonntage.
Viele Bräuche während der Adventszeit zeugen von den mannigfaltigen Einflüssen, denen der Advent im Laufe der Zeit, durch regionale Eigenarten verstärkt, ausgesetzt war.
Für die Kinder ist die Adventszeit wichtig, denn in der gemütlichen, anheimelnden Atmosphäre der Familie entsteht die Vorfreude auf das Weihnachtsfest: Auch ein Erwachsenen wird nie vergessen, wie er als Kind, heimlich mit roten Backen den Wunschzettel schrieb, wenn die Mutter zur Probe die ersten Plätzchen backte, den Schmuck des Weihnachtsbaums einer letzten Prüfung unterzog, oder die Weihnachtskarten schrieb.
Adventkranz
Der Adventskranz, ursprünglich mit 24 Kerzen bestückt, ist für uns in der heutigen Version mit 4 Kerzen (für jeden Adventsonntag eine Kerze) einer der beliebtesten Begleiter durch die Adventszeit.
Schon aus der Antike kenne wir den Kranz als Siegeszeichen. Der mit vier Kerzen geschmückte Adventskranz soll Symbol für den Kampf des Christen gegen das Dunkle des Lebens sein. Diese schöne Sitte ist ein sehr junger vorweihnachtlicher Brauch, der noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Familien ungekannt war. Der evangelische Theologe Johann Wichern benutzte am 1. Advent des Jahres 1838 kranzförmig aufgestellte bunte Wachskerzen zur Andacht.
Allmählich hat sich die Sitte des Adventkranzes dann von Norddeutschland weiter verbreitet. Dieser Brauch wurde auch von evangelischen Familien fortan sofort übernommen. Nach dem 1. Weltkrieg hat u. a. die Jugendbewegung dem Adventskranz zu seiner heutigen Verbreitung verholfen.
1925 hing zum ersten mal in einer katholischen Kirche in Köln, ein mit 4 Kerzen bestückter Kranz. Seit 1930 dann auch in München. Dieser Brauch verbreitete sich bis heute weltweit.
Den Adventskranz sieht man in verschiedenen Versionen: Ein geschmückter Kranz aus Tannen, Weidenzweigen, Moos oder aus Kunststoff, Glas oder Metall. Auch eine große Wurzel wird in manchen Familien geschmückt und mit Kerzen versehen aufgestellt.
Adventskalender
Der erste gedruckte Adventskalender erschien 1904 bei der Münchner Lithografischen Kunstanstalt. Die Idee dazu ist Gerhard Land, einem der Firmengründer, bzw. dessen Mutter zu verdanken:
Der kleine Gerhard quälte sie ständig mit der Frage, wann denn nun endlich Weihnachten sei. Deshalb nahm sie kleine Schachteln, legte je ein Plätzchen hinein, versah sie mit Nummern und klebte sie auf einen Karton. Jeden Tag durfte Gerhard Lang ein Schächtelchen öffnen und das Plätzchen essen. ...
Nikolaus
Seit 1555 ist Nikolaus als Gabenbringer der Kinder belegt. Der evangelische Theologe Kirchmeyer schrieb: "Vor dem St. Nikolaustag legen Mütter für ihre Kinder Geschenke und eine Rute bereit." Nikolaus beschenkte die Kinder damals mit Nüssen, Kletzenbrot und Dörrobst, aber auch mit Kleidung und anderen nützlichen Dingen des täglichen Lebens. Im Mittelalter war es Brauch, das Klosterschüler am Vorabend des Nikolausfestes einen "Kinderbischof" wählten. Dieser bekleidete sich mit den Gewändern eines Bischofs und begutachtete die Klosterschule. Er bestrafte und belohnte Schüler, letzteres auch mit Süßigkeiten. Das Gedenken an den Bischof von Myra ist katholischen Ursprungs und wurde von Martin Luther abgeschafft. Doch der Brauch lebte bis zu heutigen Tage weiter.
Ab dem 17. Jahrhundert bekam der Nikolaus einen Begleiter (Knecht Ruprecht oder Krampus), der die Kinder beschenkte oder auch wegen ihres unchristlichen Tuns tadelte. Im 19. Jahrhundert wurde die Nikolausgestalt immer mehr verweltlicht. Er wurde zunehmend in den Medien zum Weihnachtsmann oder Santa Claus.
Heute kommt der Nikolaus, meist ohne Krampus oder Knecht Ruprecht, zu den Kleinen und fragt sie, ob sie denn "auch stets brav gewesen" sind. Wenn sie dies bejahen, werden sie mit Süßigkeiten und Geschenken belohnt.
Der Nikolausstiefel
Der bekannteste Brauch zum Nikolaustag ist der, dass die Kinder ihre geputzten Schuhe oder auch Strümpfe am Vorabend ans Fenster oder vor die Tür stellen und der Nikolaus diese über Nacht mit Süßigkeiten und kleinen Geschenken füllt. Schon in einem alten Vers heißt es: "Sankt Nikolaus, leg mir ein, was dein guter Wille mag sein. Apfel, Nuss und Mandelkerne essen alle Kinder gerne."
Knecht Ruprecht
Ursprünglich war der bärtige und vermummte Begleiter des heiligen Nikolaus, dessen Festtag, der 6.12. vielerorts schon im Mittelalter als Beschertag für die Kinder begangen wurde. Auch als Ruprecht, Knecht Nikolaus, Nickel, Pelznickel, Pelzmäntel, Hans Muff, Hans Trab (Elsaß), oder Krampus wie in Österreich, zog er in pelzbesetzter Kleidung, meist mit einer Rute in der Hand und einem Sack voller Geschenke über der Schulter, von Tür zu Tür. Im Verlauf der Entwicklung des Brauchtums wurde der Knecht Ruprecht bisweilen dem Heiligen gleichgesetzt, dann aber vom Nikolaus getrennt und schließlich zu einem selbständigen Geschenkbringer, der den Kindern am Nikolausabend (5. 12.) Nikolaustag (6.12.) oder am Heiligabend als Weihnachtsmann oder Begleiter des Christkindes seine Gaben beschert.
Die Figur Hans Trapp geht auf einen Hofmarschall des Kurfürsten von der Pfalz zurück, der Hans von Dratt hieß und seine Bauern im 16. Jahrhundert so drangsaliert hatte, daß er in Südwestdeutschland zum Kinderschreck geworden ist. In manchen Gegenden kennt man den Erbsbär, der in den Kämpfen zwischen Sommer und Winter in einem Zottelgewand aus Erbsenstroh auftaucht und begleitet von einem Engel und einem Teufel von Hof zu Hof zog.
Wie Weihnachten entstand
Weihnachten ist ein Mehrzahlwort nichtchristlichen Ursprungs. Es bezeichnet einen Zeitraum.
Zur Zeit der Kelten: Die Julnacht ist die längste Nacht des Jahres. Die Kelten, Germanen und andere Volksstämme feierten Mittwinter (Julfest).
Zur Zeit der Perser: Um den 25. Dezember wurde von den Persern der Mithrakult gefeiert, die Geburt des Lichtgottes Mithras.
Zur Zeit der Römer: In Rom feierte man um den 25. Dezember das Fest der Saturnalien zu Ehren des Gottes Saturn. Man machte sich gegenseitig Geschenke.
Im Jahre 217: Papst Hyppolit verlegt den Tag der Geburt Christi auf die Nacht vom 24. zum 25. Dezember. Jesus Christus ist bekanntlich im Frühjahr geboren. Das genaue Datum ist nicht bekannt.
Im Jahre 354: Papst Liberius setzt die Festlegung von Papst Hyppolit durch.
Im Jahre 381: Zum Dogma -Glaubenssatz- wurde das Weihnachtsfest auf dem 2. Konzil von Konstantinopel unter Kaiser Theodosius erklärt.
7. Jahrhundert: Im 7. und 8. Jahrhundert setzt sich der Brauch, das Weihnachtsfest am 25. Dezember zu feiern, auch in Deutschland durch.
Der Christbaum
Im Mittelpunkt des Weihnachtsfests steht der mit Kerzen besteckte und geschmückte Christbaum. Unter ihm liegen die Geschenke. Um ihn herum versammelt sich die Familie, um zu feiern. Dabei ist der Christbaum, wie wir ihn kennen, noch keine 400 Jahre alt und somit einer der jüngsten Bräuche - er löste eine andere Tradition ab: Bevor der Christbaum in Österreich eingeführt wurde, hatten die Familien ihre Zimmer mit immergrünen Zweigen dekoriert. Erst im 17. Jahrhundert wurde der Baum so wie heute aufgestellt.
Den 1. Christbaum nach Österreich brachte die Gattin Erzherzog Karls - des Siegers von Aspern über Napoleon – ins Land. Sie hat am Weihnachtsabend des Jahres 1816 für ihr erstes Kind einen alten Brauch aus ihrer rheinländischen Heimat bei uns eingeführt und den ersten Christbaum mit 12 Kerzen, für jeden Monat eine, geschmückt.
Innerhalb weniger Jahre haben die Österreicher diesen Brauch übernommen, der Siegeszug des Weihnachtsbaumes war nicht mehr aufzuhalten und Prinzessin Henriette wurde im Volksmund alsbald zur "Christkindlbringerin".
Heute stellt man je nach Geschmack einen Nadelbaum auf. Verwendet werden verschiedene Tannen, Fichten, Föhren oder auch künstlichen Bäume. Die Bäume werden mit echten Kerzen oder Lichterketten versehen und in den verschiedensten Arten geschmückt. Als Baumschmuck verwendet man Kugeln, Figuren aus Holz, Glas oder Kunststoff. In einigen Familien wird der Baum auch mit Naschzeug und Keksen versehen.
Der Christbaumschmuck
Die ersten, die zu Weihnachten geschmückte Bäume im Haus aufstellten, waren städtische Handwerkerzünfte: Eine Bremer Chronik von 1570 erwähnt ein "Dattelbäumchen", eine kleine Tanne mit Äpfeln, Nüssen, Datteln, Brezeln und Papierblumen, die im Zunfthaus für die Kinder der Zunftmitglieder aufgestellt und dann zu Weihnachten von den Kindern "abgeerntet" wurde.
Vorweihnacht
Bald ist Weihnacht, wie freu' ich mich drauf,
da putzt uns die Mutter ein Bäumlein schön auf;
es glänzen die Äpfel, es funkeln die Stern',
wie hab'n wir doch alle das Weihnachtsfest gern.
Max von Schenkendorf (1783-1817)
Weihnachtslied
Brich an du schönes Morgenlicht!
Das ist der alte Morgen nicht,
Der täglich wiederkehret.
Es ist ein Leuchten aus der Fern',
Es ist ein Schimmer, ist ein Stern,
Von dem ich längst gehöret.
Nun wird ein König aller Welt,
Von Ewigkeit zum Heil bestellt,
Ein zartes Kind geboren.
Der Teufel hat sein altes Recht
Am ganzen menschlichen Geschlecht
Verspielt schon und verloren.
Der Himmel ist jetzt nimmer weit,
Es naht die sel'ge Gotteszeit,
Der Freiheit und der Liebe.
Wohlauf, du frohe Christenheit!
Dass Jeder sich nach langem Streit
In Friedenswerken übe.
Ein ewig festes Liebesband
Hält jedes Haus und jedes Land
Und alle Welt umfangen,
Wir alle sind ein heil'ger Stamm,
Der Löwe spielet mit dem Lamm,
Das Kind am Nest der Schlangen.
Wer ist noch, welcher sorgt und sinnt?
Hier in der Krippe liegt ein Kind
Mit lächelnder Geberde.
Wir grüßen dich du Sternenheld!
Willkommen Heiland aller Welt!
Willkommen auf der Erde!
Max von Schenkendorf (1783-1817)
Im Winter1814
Die Tage sind so dunkel,
Die Nächte lang und kalt;
Doch übet Sternenfunkel
Noch über uns Gewalt.
Und sehen wir es scheinen
Aus weiter, weiter Fern',
So denken wir, die Seinen,
Der Zukunft unsres Herrn.
Er war einmal erschienen
In ferner sel'ger Zeit,
Da waren, ihm zu dienen,
Die Weisen gleich bereit.
Der Lenz ist fortgezogen,
Der Sommer ist entflohn:
Doch fließen warme Wogen,
Doch klingt ein Liebeston.
Es rinnt aus Jesu Herzen,
Es spricht aus Jesu Mund,
Ein Quell der Lust und Schmerzen,
Wie damals, noch zur Stund'.
Wir wollen nach dir blicken,
O Licht, das ewig brennt,
Wir wollen uns beschicken
Zum seligen Advent!
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Vorfreude auf Weihnachten
Ein Kind - von einem Schiefertafelschwämmchen
Umhüpft - rennt froh durch mein Gemüt.
Bald ist es Weihnacht! - Wenn der Christbaum blüht,
Dann blüht er Flämmchen.
Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt
Uns mild. - Es werden Lieder, Düfte fächeln. -
Wer nicht mehr Flämmchen hat,
wem nur noch Fünkchen glimmt,
Wird dann noch gütig lächeln.
Wenn wir im Traume eines ewigen Traumes
Alle unfeindlich sind - einmal im Jahr! -
Uns alle Kinder fühlen eines Baumes.
Wie es sein soll, wie's allen einmal war.
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Advent
Es treibt der Wind im Winterwalde
Die Flockenherde wie ein Hirt,
Und manche Tanne ahnt, wie balde
Sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin - bereit
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
Der einen Nacht der Herrlichkeit.
Robert Reinick (1805-1852)
Der Weihnachtsaufzug
Bald kommt die liebe Weihnachtszeit,
vorauf die ganze Welt sich freut;
das Land, so weit man sehen kann,
sein Winterkleid hat angetan.
Schlaf überall; es hat die Nacht
die laute Welt zur Ruh gebracht -
kein Sternenlicht, kein grünes Reis,
der Himmel schwarz, die Erde weiß.
Da blinkt von fern ein heller Schein -
was mag das für ein Schimmer sein?
Weit übers Feld zieht es daher,
als ob's ein Kranz von Lichtern wär',
und näher rückt es hin zur Stadt,
obgleich verschneit ist jeder Pfad.
Ei seht, ei seht! Es kommt heran!
Oh, schauet doch den Aufzug an!
Zu Roß ein wunderlicher Mann
mit langem Bart und spitzem Hute,
in seinen Händen Sack und Rute.
Sein Gaul hat gar ein bunt Geschirr,
von Schellen dran ein blank Gewirr;
am Kopf des Gauls, statt Federzier,
ein Tannenbaum voll Lichter hier;
der Schnee erglänzt in ihrem Schein,
als wär's ein Meer von Edelstein. -
Wer aber hält den Tannenzweig?
Ein Knabe, schön und wonnereich;
's ist nicht ein Kind von unsrer Art,
hat Flügel an dem Rücken zart. -
Das kann fürwahr nichts andres sein,
als wie vom Himmel ein Engelein!
Nun sagt mir, Kinder, was bedeut't
ein solcher Zug in solcher Zeit? -
Was das bedeut't? Ei, seht doch an,
da frag ich grad beim Rechten an!
Ihr schelmischen Gesichterchen,
ich merk's ihr kennt die Lichterchen,
kennt schon den Mann mit spitzem Hute,
kennt auch den Baum, den Sack, die Rute.
Der alte bärt'ge Ruprecht hier,
er pocht' schon oft an eure Tür;
droht' mit der Rute bösen Buben;
warf Nüss' und Äpfel in die Stuben
für Kinder, die da gut gesinnt. -
Doch kennt ihr auch das Himmelskind?
Oft bracht' es ohne euer Wissen,
wenn ihr noch schlieft in weichen Kissen,
den Weihnachtsbaum zu euch ins Haus,
putzt' wunderherrlich ihn heraus;
Geschenke hing es bunt daran
und steckt' die vielen Lichter an;
flog himmelwärts und schaute wieder
von dort auf euren Jubel nieder.
O Weihnachtszeit, du schöne Zeit,
so überreich an Lust und Freud'!
Hör doch der Kinder Wünsche an
und komme bald, recht bald heran,
und schick uns doch, wir bitten sehr,
mit vollem Sack den Ruprecht her.
Wir fürchten seine Rute nicht,
wir taten allzeit unsre Pflicht.
Drum schick uns auch den Engel gleich
mit seinem Baum, an Gaben reich.
O Weihnachtszeit, du schöne Zeit,
worauf die ganze Welt sich freut!
Karl Gerok (1815-1890)
Vor Weihnachten
Die Kindlein sitzen im Zimmer
- Weihnachten ist nicht mehr weit -
bei traulichem Lampenschimmer
und jubeln: "Es schneit, es schneit!"
Das leichte Flockengewimmel,
es schwebt durch die dämmernde Nacht
herunter vom hohen Himmel
vorüber am Fenster so sacht.
Und wo ein Flöckchen im Tanze
den Scheiben vorüberschweift,
da flimmert's in silbernem Glanze,
vom Lichte der Lampe bestreift.
Die Kindlein sehn's mit Frohlocken,
sie drängen ans Fenster sich dicht,
sie verfolgen die silbernen Flocken,
die Mutter lächelt und spricht:
"Wisst, Kinder, die Engelein schneidern
im Himmel jetzt früh und spät;
an Puppenbettchen und Kleidern
wird auf Weihnachten genäht.
Da fällt von Säckchen und Röckchen
manch silberner Flitter beiseit,
von Bettchen manch Federflöckchen;
auf Erden sagt man: es schneit.
Und seid ihr lieb und vernünftig,
ist manches für euch auch bestellt;
wer weiß, was Schönes euch künftig
vom Tische der Engelein fällt!"
Die Mutter spricht's; - vor Entzücken
den Kleinen das Herz da lacht;
sie träumen mit seligen Blicken
hinaus in die zaubrische Nacht.
Theodor Fontane (1819-1898)
Verse zum Advent
Noch ist Herbst nicht ganz entflohn,
Aber als Knecht Ruprecht schon
Kommt der Winter hergeschritten,
Und alsbald aus Schnees Mitten
Klingt des Schlittenglöckleins Ton.
Und was jüngst noch, fern und nah,
Bunt auf uns herniedersah,
Weiß sind Türme, Dächer, Zweige,
Und das Jahr geht auf die Neige,
Und das schönste Fest ist da.
Tag du der Geburt des Herrn,
Heute bist du uns noch fern,
Aber Tannen, Engel, Fahnen
Lassen uns den Tag schon ahnen,
Und wir sehen schon den Stern.
Volksgut
Knecht Ruprecht, du trägst huckepack…
Knecht Ruprecht, du trägst huckepack
auf deinem Rücken einen Sack.
Sag, sind darin auch Pfefferkuchen?
Die möchte ich schrecklich gern versuchen